Boule und Pétanque Verband Nordrhein-Westfalen e.V.

Russlandfahrt - Teil 3: Putin’s Residenz

Vorschaufotos - Fotos: Berthold Perret
das Frühstücksbuffet
ein Wolga, oft als Taxi eingesetzt - der Mercedes in Russland
nicht in Brandenburg - vorne im Bild Verkehrswachthaus
fast nächtlicher Blick auf den Nevsky
eine Straßenbahn
ich habe auch noch Nahaufnahmen
hinten der offizielle Bus - vorne die Taxibusse
Autopanne mitten auf der Hauptverkehrsader
Frau Chetkov mit ihrer Tasche
bei Putins zuhause
Großansicht
Straßenreinigung
Die Kirche in Peterhof
einer der schönen Brunnen
im Hintergrund das Schloss
Blick auf den rechten Teil
goldene Kuppeln
blauer Himmel
Geld rauskramen für das Orchester
und da sitzt er nun und macht Lärm
Organisationstalent Evgeny und Kartenkäufer im Hintergrund
hier habe ich Souvenirs gekauft
Blick von hinten aus dem Park
der Park ist gerammelt voll
sie arbeiten alle ohne Pumpe - mit natürlichem Druck
Bianca in Love
man kann sich auch fahren lassen, wir ließen uns gehen !
Besucherinnen des Schlosses
Bilder einer Raketa
kurz vor dem Anleger
Schiffsführerkabine
Bianca und Evgeny
hier wird gebaggert - nach Sand
das Kirow-Stadion
Siedlung auf der Petrowskij Insel
Schiffswerft an der Newa
Segelboot gegenüber der Schwefel Insel
vorbei brausende Raketa
dies ist ein "Botel" wie in Amsterdam
das Petrowskij Stadion
ein Restaurant Schiff
Blick zur St. Peter und St. Pauls Kathedrale in der Zitadelle
Der Winterpalast (Eremitage)
die dem Park zugewandte Seite (Ausschnitt)
diese Postkutschen-Lokale findet man in ganz St. Pete
kurze Orientierungsphase
Wer macht hier was ? die Jungs sind von der Post !
vorne im Taxibus
blick nach hinten in den Taxibus !
Unser Straßencafé am Nevsky !
      

 

Russlandfahrt - Teil 3: Putin’s Residenz

 
 
- eine Zusammenfassung des einwöchigen Aufenthaltes in Russland -
 

Die Flucht vor der Hitze nach St. Petersburg

 

Es wird Zeit zu Bett zu gehen. Wir schleppen uns die drei Etagen hoch. Es war ein langer Tag. Seit fast 21 Stunden (23 Stunden mit der Zeitverschiebung) sind wir wach. Richtig müde sind wir zwar immer noch nicht aber das wird sich vermutlich erst am nächsten Morgen erst zeigen.

Bei der Hoteleingangstüre müssen wir Klingeln. Eine Kamera in der Klingel zeigt der Rezeptionistin am Ende des Schlauches wer hier vor der Türe steht. Mit schweren Beinen erreichen wir die Rezeption, die nur noch wenige Schritte von unserer Zimmertüre entfernt ist. Vera sitzt immer noch dort und lächelt mich erneut auf die gleiche freundliche Weise an, wie bei unserer Ankunft am Donnerstagnachmittag. Sie erzählt mir, dass sie 24 Stunden Dienst verrichtet und dann 3 Tage frei hat. Muss das anstrengend sein. Ich bitte sie uns per Telefon um 08.30 h zu wecken. Ich möchte in Ruhe frühstücken, bevor Evgeny Bianca und mich abholt um uns zum Flughafen zu begleiten wo wir dann meine Reisetasche austauschen werden. Vera lächelt wieder reicht mir den Zimmerschlüssel mit der Nummer 1 und wirft mir die Bemerkung „kurze Nacht dann“ zu.

Wir verabschieden uns von Marie-Annick, Bernard (Zimmer Nr. 2), Anke und Jürgen (Zimmer Nr. 3) und fallen in unsere Betten. Die Abendtoilette muss in Ermangelung unseres Kulturbeutels etwas kürzer ausfallen. Keine Zahnbürsten!

Um 08.30 h klingelt das Telefon und ohne dass ich mich daran erinnern konnte jemanden beauftragt zu haben mich zu wecken, nehme ich den Hörer ab und rufe: „Ja, bitte?“. Vera scheint auch vergessen zu haben, dass ich gar kein Russisch spreche, denn was sie mir da durch den Hörer ins Ohr flüstert habe ich noch nicht einmal phonetisch annähernd verstanden. Also raus aus den Federn. Mein Herzblatt, dieses Morgenmuffelchen, zieht es vor sich noch einmal umzudrehen. Egal, ich gehe duschen!

Erst einmal ausprobieren ob man auch richtig warmes Wasser bekommt. Zu meinem Erstaunen bekomme ich nicht nur super warmes Wasser sondern auch einen kräftigen Wasserstrahl aus meinem Duschkopf. So etwas habe ich ja schon lange nicht mehr in einem Hotel erlebt. Ich bin begeistert, beschränke meine Körperpflege dann aber doch auf ein kurzes Duschbad. Das Frühstück übt auf mich einen noch größeren Reiz aus.

Bevor ich das Zimmer verlasse, drücke ich meiner Hulda noch einen Kuss aufs Auge und melde mich damit zum Frühstück ab. Ich klopfe bei unseren Mitreisenden an der Zimmertür und wende mich dann dem Empfang zu: „Good morning Vera“. Sie lacht. Vera ist nun nicht mehr alleine. Außer ihr gibt es plötzlich eine Armada von „Nevsky-blau“ gekleideten Damen und Herren die sich um das Wohlergehen der Gäste bemühen. Arbeitskräfte müssen hier recht günstig sein. Der Service gefällt mir. Man fühlt sich umworben und betüddelt. Von unserer Reisegruppe bin ich der erste. Über den langen Gang erreiche ich in der Mitte die Frühstücksecke. Dort stehen drei kleine Tische und mindestens 16 Stühle, teilweise gestapelt in einer Ecke. Gut, dass ich so früh bin, denke ich.

Wie immer setze ich mich so, dass ich den größtmöglichen Überblick über das Geschehen habe. Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich neugierig bin und alles genauestens beobachte. Vor mir baut sich eine Art Einbauküche auf, die in erster Linie aus Abstellfläche besteht auf der alles was das Herz begehrt und was man zu einem kontinentalen Frühstück so benötigt, vorzufinden ist. Einer der anderen Frühstücksgäste, der Sprache nach zu urteilen ein Italiener, bedient sich großzügig bis maßlos.

Bis die anderen 5 eintreffen, habe ich schon die ersten wichtigen Kontakte zur Küchenmamsell hergestellt die das Büffet betreut und für Nachschub sorgt. Ich bin nämlich auch nicht von schlechten Eltern und verputze einiges am frühen Morgen. Da ist es schon recht wichtig sich mit solchen zentralen Figuren gut zu verstehen.

Glücklicherweise ist unterdessen auch meine Perle eingetroffen. Sie frühstückt nie so wahnsinnig viel. Das ist in diesem Fall gut so, denn um 10.00 h will Evgeny uns hier am Hotel abholen und da möchte ich schon bereit sein. Beim Frühstück tauschen wir mit den anderen unsere ersten Erfahrungen aus und stellen zufrieden fest, dass alle in ihren Betten gut geschlafen haben.

Unsere Wege trennen sich heute Morgen. Bianca und ich fahren mit Evgeny zum Flughafen, die anderen vier wollen die nähere Umgebung des Hotels erkunden. Um 14.00 h sind wir alle gemeinsam vor unserem Hotel verabredet um eine Bootsfahrt auf der Newa zu unternehmen.

Bereits um 10 vor 10.00 h steht Evgeny vor der Tür des Hotels. Ich sehe ihn auf dem Monitor bei der Rezeption. Er kommt rein und wechselt einige Sätze mit unserer Vera. Sein Handy klingelt. Evgeny ist durch und durch Geschäftsmann. Er arbeitet rund um die Uhr. Schweizer Messer, Zippo Feuerzeuge und Textilien gehören zu seinen Verkaufsschlagern zu denen er sich die Alleinverkaufsrechte für Russland gesichert hat. Die Geschäfte gehen gut. Wir gehen nun auch und zwar nach unten wo sein Freund und unser Fahrer Arkadi mit seinem Auto auf uns wartet.

Quasi im Vorbeihuschen verabschieden wir uns von den anderen Vieren. Bis gleich um 2. Der Nevsky ist immer noch voll. Sogar die Mädels scheinen immer noch alle auf und ab zu flanieren. Oder sind das schon wieder andere? Machen die hier vielleicht auch 24 Stunden Dienste? Arkadi wartet etwas unruhig bei seinem Fahrzeug. Er steht in zweiter Reihe geparkt. Man muss allerdings wissen, dass schon die erste Reihe illegal abgestellte Fahrzeuge sind denn auf dem gesamten Nevsky herrscht Parkverbot. Das scheint aber niemanden so richtig zu kümmern. Der Verkehr erscheint hier ohnehin unberechenbar. Bianca und Evgeny steigen hinten ein. Ich sitze vorne bei Arkadi. Hallo, Arkadi!

Ich lerne etwas über die Geschichte St. Petersburgs und die Freundschaft der beiden Freunde kennen. Rechts liegt eine Fleischfabrik. Igitt! Das ist eine Fleischfabrik? Und das war heute Morgen doch so lecker! Naja von außen sieht eben vieles hier etwas betagt aus. Gehen wir also einmal davon aus, dass es drinnen, wie in unserem Hotel, schon etwas moderner und reinlicher zugeht. Arkadi legt zwar auch einen flotten Riemen auf die Orgel, fährt aber etwas langsamer als Dimi gestern und das obwohl sein Fahrzeug relativ neu ist. Arkadi ist nicht etwa ängstlich und sein Auto auch nicht kaputt. Er möchte mir lediglich die Gelegenheit geben die eine oder andere Sehenswürdigkeit aus dem Fenster unseres Fahrzeuges zu fotografieren, zumindest wenn es nicht zu schnell an meinem Seitenfenster vorbeifliegt.

Kurz vor 11.00 h erreichen wir den Flughafen und postieren uns mit dem vertauschten Gepäckstück wie verabredet vor dem Ausgang von Pulkovo 1 und warten und warten und warten. Wir haben ja schon davon gehört, dass man es hier in diesen Breitengraden mit der Zeit und der Eile nicht so genau nimmt, unter diesen Umständen jedoch bekomme ich Sorge um unsere Lakritze, ähm..., ich meine um meine Boulekugeln und stampfe von einem Fuß auf den anderen.

Evgeny fragt mich, ob ich nicht die Telefonnummer von der Frau dabei hätte. Klar, habe ich! Er ruft an. Ich verstehe kein Wort. Die Stimme wird lauter und bestimmter. Evgeny grinst und beendet das Gespräch. Also, die Frau wartet ebenfalls bereits seit mehr als einer halben Stunde vor dem Eingang, also so ca. 500 m links von uns! Wir stiefeln los. Ich mit meiner vertauschten Reisetasche im Schlepptau. Da kommt sie uns auch schon entgegen und lacht. Sie hat aber gar keine Tasche bei sich. Frau Chektov erklärt uns, dass die Tasche bei der Fundgutannahme läge. Na klasse, so lerne ich dann endlich einmal die russischen Behörden kennen. Bianca bleibt draußen. Plötzlich sind ihr ihre Lakritze nicht mehr so wichtig. Angst?

Bevor wir den Terminal betreten können verhandelt Evgeny mit dem Sicherheitspersonal. Dann dürfen wir durch die Schleuse. Frau Chektov geht mit uns. Ich fahre immer noch ihren Koffer. Rechts, links, wieder rechts und dann .. ich weiß es nicht mehr, plötzlich stehen wir vor einer Tür. Evgeny klopft, Frau Chektov steht ihm zur Seite. Die Tür öffnet sich und gibt uns den Blick auf Taschen, Koffer und vor allen Dingen mindestens 5 in rot gekleidete Damen, frei. Frau Chektov hat offensichtlich bei diesen Damen einen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn sie können sich sofort an sie und meine Tasche erinnern.

Sofort wird ein Blatt vorgekramt. Drei Kolleginnen machen sich sofort hektisch auf die Suche nach einer Sache, die soeben offensichtlich von Frau Chektov beschrieben wurde. Hat Frau Chektov etwas von Lakritzen erwähnt? Ich muss irgendetwas schriftlich mit meiner Unterschrift bestätigen. Frau Chektov verlässt uns nun mit ihrem Koffer nachdem ich schnell noch ein Erinnerungsfoto von den beiden gemacht habe! Drei Frauen suchen immer noch. Aus einem Hinterzimmer kommt eine ca. 30 jährige schlanke Frau die mehr zu wissen scheint. Die übrigen Damen stellen die Suche nämlich ein. Die schlanke Frau nimmt sich ein Buch zur Hand, kramt nach einem Schlüssel und bittet uns ihr zu folgen.

Ich gewinne einen Blick hinter die Kulissen. Gemeinsam laufen wir mit der schlanken Frau durch Lagerhallen. Meine Güte, ist das hier groß. Sieht von außen gar nicht so aus. Endlich erreichen wir, nach einigen Kontrollen und Unterschriftsleistungen bezüglich der Zugangsberechtigung, den Lagerraum in dem meine Tasche stehen soll. Sie ist es! Wir verlassen das Lager um bei einem Zwischenstopp in den Abfertigungshallen ein weiteres Mal Zollerklärungen zu fertigen. Zwei Abfertigungsbeamtinnen in schwarzer Uniform beobachten mich. Ich unterschreibe ein letztes Mal eines der vielen Formulare und meine Tasche gehört wieder mir. Quer durch die Abfertigungshalle laufend verlassen wir nach freundlicher Verabschiedung den Terminal. Bianca und Arkadi warten schon. Wir packen die Tasche in den Kofferraum und machen uns auf unseren Weg.

Evgeny hat kurz entschlossen eine Programmänderung vorgesehen. Er möchte mit uns nun nach Peterhof fahren um von dort mit dem Tragflügelboot, „der Raketa“ nach St. Petersburg zurückzukehren! Wir haben ja noch Zeit ☺

Zum zweiten Mal verlassen wir Pulkovo in Richtung St. Pete. In diesem Moment erscheint es mir fast schon vertraut. Arkadi fährt den lang gezogenen Zufahrtsboulevard hinab. Er wird gesäumt von Schildern die die Namen der europäischen Länder tragen. Umrahmt werden diese von Blumenkästen. Riesige Reklametafeln stehen zwischen den beiden Fahrbahnen. Am Ende dieses Boulevards, bei der Tankstelle, folgen wir nun nicht mehr dem bekannten Straßenverlauf sondern biegen rechts ab. Es scheint als würden wir uns nun gen Osten von St. Pete entfernen. Es scheint nicht nur so. Arkadi fährt den großen Bogen um die überfüllte Stadt. Nach wenigen Kilometern Fahrt biegen wir nach Südwesten ab. Rechts von uns baut sich ein grüner kilometerlanger Zaun auf, der von einem Blumencenter jäh unterbrochen wird. Das ist der Zentralfriedhof, erklärt Arkadi. Boah, ist der groß! Es dauert nicht lange und wir stehen schon wieder in einem Stau. Haushohe Sandberge türmen sich rechts und links von der Strasse auf. Das wird die neue Autobahn, sagt Evgeny. Beide unsere Gastgeber werden ungeduldig weil sich verkehrstechnisch nicht echt viel tut. Evgeny redet auf Arkadi ein, der sich zunächst ein wenig ziert, schließlich aber den Wagen nach rechts zieht und über so etwas wie Standstreifen, Acker und Baustelle an den vor uns stehenden LKW’s vorbei zieht, sich durch eine Lücke schlängelt, auf die Spur nach links wechselt und nun ziemlich weit vorne in der Reihe steht. Wie viele Spuren es hier normalerweise gibt. Keine Ahnung, alles steht durcheinander. Polizei kontrolliert auf der Gegenspur ein Fahrzeug. Wenn ich den LKW, so etwa 6 cm neben meiner Nasenspitze so stehen sehe, dann wundere ich mich, wie dieser Holzaufbau, der die Ladefläche ausmacht, die letzten 100 Jahre so überstanden hat.

Nach der Kreuzung geht es dann zügig weiter. Wir bewegen uns immer am Rande der Großstadt, die einige Male von einer Anhöhe aus sehr gut zu überblicken ist. Ein sehr schöner Anblick. Arkadi sagt, dass es in unmittelbarer Nähe, nur wenige Kilometer von hier auch etwas gebirgiger sein soll.

Über lange Strassen fahren wir durch wenig besiedelte Gegenden. Grüne Zäune rechts und links von der Strasse. Plötzlich baut sich rechts von der Strasse wieder so etwas wie ein Schloss auf. Hier hat letzte Woche der Summit (G8 Gipfel) stattgefunden, wissen unsere Freunde zu berichten und die ganzen Zäune wurden allein aus diesem Grunde, um die Häuser dahinter zu verbergen, errichtet.

Wir halten an, ich schieße ein Foto von Putin’s Domizil wenn er in St. Pete weilt und wende mich einer weiteren Attraktion zu. Ein Straßenreinigungsfahrzeug in grellem orange – blau steht in der weiträumigen Einfahrt zu dem Schloss. Da mache ich doch auch noch schnell eine Aufnahme von.

Dann geht es weiter. Es wird wieder voller. Mehr und mehr Häuser stehen an dieser breiten, langen sowie auch geraden Strasse. Schöne alte Häuser. Aus Holz, so wie ich sie von Fotos aus Schweden, Norwegen oder Finnland kenne. Sie bräuchten etwas Farbe und das eine oder andere neue Fenster. Aber sie sehen richtig kuschelig aus. Etwas zum Wohlfühlen.

Peterhof. Wir sind da. Ich kann die Eindrücke nicht so schnell verarbeiten, die sich mir da gerade auftun. Alles ist interessant und schön. Links von der Strasse, dem „St. Petersburg prospekt“ steht wieder so eine aufwändig gearbeitete Kirche. Bunt und mit vielen Türmchen. Mit Ecken und Kanten. Etwas was man in Ruhe und mit Bedacht studieren muss.

Arkadi hält trotz starken Verkehrs an einer Bushaltestelle unmittelbar vor einem Zugangstor zu einer Parkanlage. Hier sind wir beim Schloss. Man merkt es. Tausende Touristen drängen sich hier über den Gehweg. Jeder Bus der hier hält schickt Massen von Menschen auf Erkundungstour.

Arkadi verabschiedet sich. Die Tasche würde er heute Abend um 18.30 h beim Hotel abgeben. Weg war sie wieder! Wir hatten trotzdem schon das Nötigste herausgenommen. Für Evgeny ein BPV-Cap und für Bianca … die Lakritze.

Wir quetschen uns mit der Masse durch das Tor und es tut sich ein märchenhafter Anblick auf. Vor uns liegt, von der Sonne beschienen, das Schloss von Peterhof. Es diente nicht nur Alexander dem Großen als Wohnsitz. Die Parkanlage vor dem Schloss ist sehr großzügig angelegt und mit vielen Brunnen verziert. Sehr eindrucksvoll. Das Schloss selbst erscheint, desto näher man sich ihm nähert immer weißer. Dieser Eindruck wird durch die Sonnenstrahlen extrem begünstigt. Die goldenen (mit Blattgold überzogenen) Türme glänzen majestätisch bis in weite Ferne.

Vor dem Schloss musiziert ein 3-Mann Orchester und lässt sich gegen ein Entgelt gemeinsam mit Touristen ablichten. Evgeny und Bianca wollen natürlich, dass ich mich auch einmal mit ihnen fotografieren lasse. Warum nicht, hier kennt mich ja eh niemand. Evgeny schießt gleich eine ganze Serie von Bildern. Die beiden haben tierisch Spaß weil ich mich zum Affen machen lasse.

Unser Weg führt uns entlang der Türme zu den Kassenhäuschen. Ich kann meinen Gesichtsausdruck überhaupt nicht beschreiben, den ich beim Anblick der langen Schlange vor den Kassen mache. Aber Evgeny wäre nicht Evgeny wenn er nicht schon eine Lösung ins Auge gefasst hätte. Gerade so, als würde er sich nach etwas umschauen oder sich informieren wollen mischt er sich nach den Preisschildern blickend zwischen die einzelnen Reihen. Nun spricht er mit einigen Wartenden. Geld wechselt den Besitzer. Evgeny kommt wieder aus der Masse heraus. Mit breitem Lächeln verkündet er: „Alles geregelt! Moment!“. Und in der Tat, nur wenige Minuten später kommt ein junges Paar und übergibt ihm drei Eintrittskarten. Ob die nun dafür kostenlos in das Schloss kamen bleibt mir ebenso ein Geheimnis wie der Eintrittspreis den wir normalerweise auch hätten entrichten müssen.

Ruck zuck sind wir also im hinteren Schlosspark. Die Zeit drängt auch. Um 14.00 h ist unser Rendezvous beim Hotel auf dem Nevsky. Nun ist es kurz vor 13.00 h und wir haben noch den Park und die Raketa Fahrt vor uns. Und wer weiß, wo in St. Pete wir dann ankommen werden. Also ist Eile angesagt. Schnell ein Blick auf das Schloss auf die vielen schönen Springbrunnen, die völlig ohne Pumpen funktionieren und dann machen wir uns auf den Weg zur Ostsee. Das Schloss liegt direkt am Strand. Na ja, direkt sind in diesem Fall vielleicht 1,5 bis 2 km Schlosspark, aber sonst liegt nichts dazwischen. Herr Zar oder Frau Zarin hatten derzeit einen wunderbaren Ausblick auf das Meer. Wenn man nicht gerade vom Schlosswohnzimmer aus auf das Meer blicken konnte, sondern gerade bei den vielen Springbrunnen weilte, dann war auch von dort der freie Blick, durch eine Waldschneise, auf die offene See gewährleistet.

Im Park ist dieses Mal meine Perle das Opfer, sie muss mit einem hochherrschaftlichen Angehörigen des Zarenhofes posieren. Das macht ihr scheinbar auch große Freude, wenngleich sie normalerweise nicht das Talent eines Supermodells mitbringt.

Die Kanäle hier sind mit der Ostsee verbunden und man kann hier vorzüglich angeln, erklärt uns Evgeny. Mein Interesse gilt jedoch einer kleinen Gruppe von jungen Frauen die, bis zu den Kniekehlen im Wasser stehend, Erinnerungsfotos an ihren Ausflug nach Peterhof knipsen.

Wir haben den Anleger erreicht. Einige Boote liegen dort bereits. Aber wo ist das Tragflügelboot, die Raketa? Auch hier zahlt Evgeny wieder die Gebühr ohne uns daran teilhaben zu lassen. Nach einiger Wartezeit besteigen wir eins, der dort vor Anker liegenden Boote. Nun doch keine Raketa fahren? Weil die Zeit drängt?

Wir legen ab. Das Schiff bewegt sich mit lautem Getöse rückwärts und dreht behäbig. Nun gibt der Kapitän Gas und langsam, ganz behutsam erheben wir uns aus dem Wasser. Aha, so funktioniert das. Also alles Raketas, die dort liegen! In regelmäßigen Abständen von wenigen Minuten kommen sie uns dann auch von St. Pete entgegen. Es muss sehr viele davon geben.

Nach ungefähr 20 Minuten haben wir den finnischen Meerbusen durchkreuzt und nähern uns der Stadt. Vorbei am „Kirow-Stadion“ hinein in die „Malaja Newa“, einem der dort in die Ostsee mündenden Newa Arme. Wir passieren etliche interessante Gebäude und Hafenanlagen, die „Schwefel-Insel“ und auch das „Petrowski-Stadion“, bevor wir schräg gegenüber der „Peter und Pauls Festung“, einer Zitadelle, direkt vor der „Eremitage“ anlegen.

Wir haben weder Ahnung davon, dass wir uns hier gerade vor dem wichtigsten, imposantesten und größten Ausstellungsgebäude der östlichen Welt, noch wo wir uns überhaupt in St. Pete momentan befinden. Evgeny muss sich auch erst einmal ordnen und an seinen letzten Besuch hier erinnern bevor er uns zielsicher den Weg zum Nevsky weist. Wir haben noch gute 8 Minuten bis zum Treffpunkt. „Laufen wir?“ frage ich.

Evgeny schlägt vor, eines dieser halboffiziellen Taxis zu nehmen. Es gibt hier in St. Pete verschiedene Möglichkeiten sich fortzubewegen, wenn man nicht laufen möchte und der Nevsky ist verdammt lang. Man könnte mit der Straßenbahn fahren, wenn es auf dem Nevsky eine gäbe oder auch mit dem Bus. Das dauert aber lange bis einer kommt, denn die Busse fahren auf Strom und sind an die Oberleitung gebunden. Und bei dem Verkehr der hier herrscht, macht es sie nicht unbedingt mobil oder gar schnell.

Dann gibt es noch die Taxis. Es bieten sich drei Möglichkeiten. Das offizielle Taxi, den halboffiziellen Taxibus und jedes private Fahrzeug, dass, wenn man die ausgestreckte Hand zur Straße weist, anhält und mit sich über Fahrstrecke und Preis verhandeln lässt.

Wir entscheiden uns für den Taxibus. Hierbei handelt es sich um Fahrzeuge der Ford Transit oder Mercedes Transporter Klasse. Neben der Fahrersitzreihe , das sind immer drei Personen, gibt es je nach Typ des Fahrzeuges noch weitere willkürlich eingebaute Sitzreihen. Ein- und Aussteigen ist dabei ein Abenteuer und immer auch mit anecken und rumschubsen verbunden. Diese Busse fahren nur bestimmte Linien. Unserer beispielsweise den Nevsky rauf und wieder runter. Das kann er mit ein wenig Glück einige Male am Tag schaffen. Nachts dürfte es schneller gehen.

Den nächstbesten Bus, es gibt hunderte davon, hält Evgeny an. Wir steigen ein und Evgeny gibt dem Fahrer unser Ziel bekannt. Den Fahrpreis drückt man einem Mitreisenden in die Hand, der es den anderen bis zum Chauffeur weiterreicht. Kommt alles an, hundert pro!

Im Zickzackkurs und mit achtminütiger Verspätung erreichen wir unser Ziel. Unsere Freunde warten schon auf der Terrasse eines Straßencafés. Geschafft.

Ende von Teil 3

Berthold Perret
(Präsident BPV NRW)