Heute besichtigen alle drei Pärchen, die nun noch in St. Petersburg verblieben sind, die Stadt auf eigene Faust. Bei allen stehen unterschiedliche Sehenswürdigkeiten auf dem Programm. Wir glauben, dass wir auf diese Weise unseren eigenen Wünschen am ehesten gerecht werden. Das große Kaufhaus, sie St. Isaaks Kathedrale, die Eremitage und die Kathedrale
„Erlöser vom Blute“ stehen auf den unterschiedlichen Stundenplänen.
Wir verabreden uns, so jeder es einrichten kann, für 18.00 h bei unserem Stammcafé auf dem Nevsky um gemeinsam in dem von Marie-Annick ausgewählten Lokal essen zu gehen.
Unser Weg führt uns jedoch zunächst wieder zu dem Fotoladen um eine weitere DVD brennen zu lassen, denn mittlerweile habe ich wieder um die 500 Fotos geschossen. Viele Aufnahmen davon bedürfen der Bearbeitung, denn ich fotografiere oft mit dem Finger am Auslöser und der Kamera vor der Brust. Diese Aufnahmen geben unter anderem auch das alltägliche Leben in all seinen Facetten wieder, eignen sich aber nicht unbedingt in einem Reisebericht mit vornehmlich schönen Erinnerungen veröffentlicht zu werden.
Vom Fotostudio ausgehend, laufen wir querfeldein durch kleine Strassen und Hinterhöfe St. Petersburgs und saugen die Eindrücke in uns auf. Immer wieder stoßen wir auf Besonderheiten. Auf diese Art und Weise nähern wir uns immer mehr dem eigentlichen Zentrum. Unsere Neugierde treibt uns in eine „Hofeinfahrt“ die sich als Zugang zu einem öffentlichen Markt herausstellt. Hier sind die Häuser alle höchstens anderthalb geschossig. Jedes Haus beherbergt ein kleines Geschäft in dem vornehmlich Textilien aber auch alle anderen Notwendigkeiten des täglichen Lebens verhandelt werden. Unterbrochen werden die Häuserzeilen durch größere Plätze auf denen sich Marktstände wie an einer Perlenkette aufreihen. Die schmalen Wege dazwischen erlauben höchsten drei Personen nebeneinander zu laufen. In den Ständen von maximal 2 x 2 Metern Größe probieren Frauen sowohl Perücken als auch Kleidungsstücke bis hin zur Unterwäsche an. Es versteht sich von allein, dass es auf diesem engen Raum keine Umkleidekabinen gibt. Es scheint aber auch niemanden so richtig zu stören. Ich kaufe natürlich auch etwas. Dieses Mal ist es das Trikot von Zinedine Zidane, meinem französischen Lieblingsspieler. Es kostet nicht sehr viel. Nun muss ich ein paar Kilo abnehmen damit ich es auch einmal tragen kann. Bianca nöhlt wie immer wenn ich gemütlich einkaufen möchte ein wenig rum: „Wofür brauchst du das?“ und zerrt mich langsam aber zielstrebig aus der Gefahrenzone heraus.
Wir wussten nicht, dass sich an diesen Komplex, auf der anderen Seite das größte Kaufhaus St. Petersburgs anschloss, sonst wären wir natürlich dort auch noch hinein gegangen! Auf eine Gesamtlänge von 4,5 Kilometern gibt es in diesem trapezförmigen Gebäude ein Geschäft neben dem anderen. Kaufhäuser, so wie in unseren Breitengraden gibt es in der Form hier wohl noch nicht. Allerdings übt diese Anreihung von Einzelhandelsgeschäften einen viel größeren Reiz auf die Käufer aus als bei Real.
Wir erreichen die Kasaner Kathedrale, die von außen überhaupt nicht einer Kathedrale sondern viel mehr einer halbierten römischen Arena gleicht. Vor ihr sitzen Kriegsveteranen, die um ihr Schicksal nicht zu beneiden sind. Bei dem noch recht jungen Soldaten von maximal 40 Jahren, dem beide Beine fehlen fragen wir uns welchen Sinn es macht Kriege zu führen. In seiner Nähe sitzen oder hocken etliche andere Männer mit ähnlichen Schicksalen.
Das Innere der Kathedrale ist beeindruckend, unterscheidet sich nicht wesentlich von den vielen anderen Kirchen hier in der Stadt. Besonders auffallend ist die große Anzahl Besucher, die eindeutig nicht zu dem Kreis der Touristen zu zählen ist. Vornehmlich Frauen stehen in langen Reihen an Verkaufstheken bei denen es außer Memorabilien auch Kerzen und unbeschriebene Blätter zu kaufen gibt. Die Kerzen werden an einem der vielen Altäre oder Madonnenbilder entzündet, die Blätter werden beschrieben und bei einem geistlichen abgegeben. Die Frauen warten dann offensichtlich solange in einer beachtlichen Menge, bis der Geistliche ihre Zettel verlesen hat.
An der Kirche St. Petri laufen wir nun über den Nevsky in Richtung Bolshaja Newa. Hunger beschleicht uns. Laufen macht hungrig. Wir suchen nach einem Schnellrestaurant. Erstens wollen wir nicht viel essen und zweitens nicht so viel Zeit verbummeln. Wir finden tatsächlich einen „russischen MacDonalds“. Hier gibt es in sehr großer Auswahl alles was die russische Küche so bietet. Wir stehen ratlos vor einer langen Theke in der bereits vorbereitete Salate und Desserts aufgereiht stehen. Alles sieht verführerisch aus. In vielen Fällen können wir nur ahnen was es ist. Hinter der Theke hängt eine riesige bebilderte Tafel, die die gesamte Speisekarte darstellt. Allerdings alles in kyrillischen Buchstaben. „Wir können ja nach Bildern bestellen“, sage ich zu meiner Hulda. Das sind vermutlich Reizworte für eine der fixen Damen hinter der Theke. Sie winkt jemandem zu und plötzlich sagt eine junge freundliche weibliche Stimme neben mir: „Kann ich Ihnen helfen?“ Ich bemühe mich meinen Mund wieder zu schließen und sage immer noch überrascht: „Ja! Wir möchten gerne etwas essen!“ Von nun an, geht alles wie von selbst. Wir setzen uns mit unserem Tablett, den Getränken und dem Salat und auch der Nummerntafel an einen der modernen Tische und schauen auf dem großen Plasma Fernseher MTV auf russisch. Es dauert nicht lange, dann bringt uns unsere freundliche Bedienung unsere Essen.
Gestärkt geht es nun vorbei am Hotel Astoria zur St. Isaaks Kathedrale. Auch hier wird ein Eintritt verlangt, der zu einer fast 2 stündigen Führung berechtigt. Das ist uns zu lange. Das machen wir beim nächsten Mal. Gegenüber der Kathedrale gibt es einige Souvenirs-Verkaufsstände. Dort erhandeln wir uns eine, auch deutschsprachige, DVD über St. Petersburg und seine Umgegend.
Wir haben nun etwa 4 km zurückgelegt und stehen nun bei Senat und Synode, direkt neben dem Vodka Museum. Ja, das gibt es tatsächlich auch in St. Petersburg. Hier sind wir nun an der Newa, quasi im Epizentrum der vielen antiken Gebäude. Hier stehen in einem Umkreis von ca. einem Kilometer die Admiralität, die Börse, die Kunstkammer, die Akademie der Wissenschaften, der Generalstab, die Eremitage und die Marstallkirche. Wer sich daran erinnert, dass man zur Besichtigung aller Gegenstände in der Eremitage, bei einer Verweildauer von nur einer Minute pro Ausstellungsstück schon 8 Jahre benötigt, der kann sich vorstellen, dass wir uns die vorgenannten Sehenswürdigkeiten für unseren nächsten Besuch aufgehoben haben.
Wir beschränken uns darauf lediglich von außen zu fotografieren und alle Bauwerke gebührend zu bestaunen. Um ehrlich zu sein, sind wir schon hundemüde und würden nun viel lieber im Restaurant sitzen. Aber der Weg zu unserem Café ist noch weit.
Marie-Annick und Bernard sind schon da. Anke und Jürgen nicht. Wir haben verabredet, dass wir in diesem Falle nicht aufeinander warten wollen. Wer weiß, in welchem Museum die anderen gerade fest hängen. Also gehen wir vier alleine essen! Unser ausgewähltes Ziel heißt Kavkaz-Bar und ist ein Restaurant Georgischer Küche.
Als wir dass Lokal betreten, ruft eine uns vertraute Stimme in aufgeregtem Ton. „Oh, was eine Überraschung, deutsche Touristen, in diesem Lokal!“ Es ist Jürgen. Die beiden haben auf ihrem Rückweg durch Zufall das gleiche Lokal ausgewählt und hatten bereits ihre Bestellung aufgegeben. Schnell wird improvisiert und ein großer Tisch zugestellt.
Zu den außergewöhnlichen Nachtlokalen gehört auch der „Häschen Club“ in dem jeden Abend um Mitternacht Sylvester gefeiert wird. Ein Besuch dieses Lokales steht heute Abend auf dem Programm. Bei dem Lokal stellen wir fest, dass wir erheblich zu früh sind und somit der Bitte von Anna, Liza und Slava noch nachkommen können, zum Marsfeld zu gehen und dort eine CD mit Fotos entgegen zu nehmen. Die Fotos, die Slava bereits entwickelt hat, sind beeindruckend schön. Wir beschließen gemeinsam etwas trinken zu gehen und landen schließlich in einem Café in der Fußgängerzone. Die Bedienung hat wohl Angst, dass wir etwas über den Durst trinken könnten, denn es dauert sicher 30 Minuten, bis wir unser erstes und damit definitiv auch letztes Getränk bekommen.
Anke und Jürgen gehen nun auf jeden Fall zum Hotel zurück. Wir anderen vier laufen zum Häschen Club. Dort müssen wir leider feststellen, dass ausgerechnet heute „geschlossene Gesellschaft“ ist. Pech! Also nutzen wir die Gelegenheit heute Nacht die sich öffnenden Brücken über der Newa zu betrachten.
Noch einmal gute 3 km zurück zum Fluss. Dort angekommen, es ist natürlich noch nicht dunkel, setzen wir uns auf diese alte Fregatte, die dort vor Anker liegt und als Restaurantschiff dient. Wir überbrücken die Wartezeit mit einem Baltika und einigen Tassen Kaffee um das Schauspiel gleich überhaupt noch wach erleben zu können. Kurz nach halb drei morgens ist es dann soweit. Unter festlicher Beleuchtung öffnen sich die Brücken und die Schiffe, die den ganzen Tag vor den Toren St. Petersburg vor Anker lagen, können nun passieren.
Den Rückweg laufen wir vermutlich in Rekordzeit.
Unser letzter kompletter Tag, der Mittwoch ist angebrochen. Wir beschließen das persönliche Programm noch einmal fortzuführen und uns um 17.00 h mit den russischen Freunden auf dem Marsfeld zu einer letzen Partie Boule zu treffen.
Es sind fast alle. Wir mischen die Mannschaften so, dass wieder keine deutschen Paarungen entstehen und beginnen die erste Runde. Unser Spielvermögen hat aber unter dem Einfluss der letzten zwei Tage enorm gelitten. Die vielen Kilometer stecken uns in den Knochen. Mit Vergnügen übernimmt Vladi in unserem Team die Rolle des Tireurs, knallt eine Kugel nach der anderen Weg und erzählt mir dann, dass er das ja schließlich bei mir gelernt hätte. Toll, denke ich, hast ja schnell gelernt.
Um 20.00 h, wie verabredet, melden sich unsere Mägen und begehren wieder feste Nahrung. Es werden noch schnell alle laufenden Partien beendet und wir verabschieden uns wieder, zum vierten Male ?, von unseren Freunden. Wo wir hin gehen. Nun wir wollen in dieses Restaurant hier! Marie-Annick zeigt ihren Reiseführer. Sasha, der Große, ruft an und sagt uns dass der Laden geschlossen sei. Also, Plan B, wir gehen in das Kalinka Malinka. Und unsere Freunde, von denen wir uns gerade verabschiedet hatten, gehen zum großen Teil mit.
Unter musikalischer Begleitung genießen wir ein letztes Mal die russische Küche. Ich lasse wieder für mich bestellen und muss daher wieder einen Vodka trinken.
Vor der Türe des Lokales verabschieden wir uns dann von unseren Freunden. Mittlerweile macht das schon Spaß. Es wird der letzte Abschied.
Wir gehen zurück zum Nevsky und kehren zum letzten Mal in unser Café ein um ein letztes Baltika 7 zu trinken. Es wird wieder kurz vor 4 bis dass wir zu Bett kommen. Aber unser Flug geht erst um 16.00 h. Wir haben also Zeit.
Nach dem Frühstück erledigen wir unsere Einkäufe und treffen uns um 13.30 h beim Hotel. Meine Perle und ich sind noch in das Teehaus auf der gegenüberliegenden Seite eingekehrt. So etwas haben wir noch nicht besucht. Eine vollkommen neue Erfahrung. Eine Serviererin kommt mit einer Auswahl an Teesorten und lässt uns das Aroma riechen. Wir bestimmen nun welchen Tee wir auswählen. Nach einer kurzen Wartezeit kommt sie mit zwei Kännchen und den verschiedenen Teesorten zurück. Jedes Kännchen beinhaltet zwei große Tassen Tee. Nachdem wir sie geleert haben räumt die junge Frau das Tablett und kommt wenig später mit der gleichen Lieferung noch einmal zurück. Ups, so viel?
Auf dem Weg zum Airport müssen wir einen Notstopp einlegen, denn meine Madame muss ganz dringend mal eben, wenn es geht bei MacDonalds, die Toilette aufsuchen. Sie sagt keinen Ton mehr und hofft nur, dass unsere Taxifahrerin, übrigens vermutlich wieder eine Frau von Rasputin, der mit den anderen wahrscheinlich schon am Flughafen ist, endlich anhält.
Am Flughafen verabschieden wir uns dieses Mal von Rasputin und seiner Nebenfrau und laufen hastig zum Terminal. Ich mache noch schnell einige Fotos von den netten Abfertigungsbeamtinnen und dem Wartesaal.
Genau wie in Köln, gab es auch hier wieder einige Vorwitzige, die sich unbedingt vordrängen mussten um in den ersten Bus einzusteigen, der sie zum Flieger fahren würde. Die besten Plätze sichern. Natürlich! Allerdings hatten sie die Rechnung ohne das russische Bodenpersonal gemacht. Die räumten nämlich in aller Ruhe die Koffer der ankommenden Reisenden aus, reinigten gemütlich das Flugzeug und betankten es dann neu! Wir warteten unterdessen in drei prall gefüllten Bussen vor der Maschine und schwitzten uns gegenseitig an.
Endlich durften wir rein. Alle gleichzeitig. Alle auf dem Weg zu den besten Plätzen. Alle ganz schnell.
Alle saßen nun auch und warteten. Der nette äußerst lustige Flugbegleiter machte uns nach ca. 15 Minuten Wartezeit auf den Mann aufmerksam, der unten an dem Fließband Koffer für Koffer, die Maschine belud während neben ihm 5 weitere Kräfte heftig irgend etwas diskutierten.
Gute zwei Stunden und zwanzig Minuten später waren wir wieder in Köln. Und wenn uns nun heute jemand fragt, wie es war, dann geraten wir ins Schwärmen und beteuern alle, dass wir nächstes Jahr wieder dorthin fliegen werden.... Auch wenn wir nicht russischer Meister oder Vizemeister werden.
In Wahrheit haben wir aber diese Woche schon geschaut was denn die Flüge nach St, Petersburg bei Germanwings im Augenblick so kosten.
Ende von Teil 7 (letzter Teil)
Berthold Perret
(Präsident BPV NRW)
|