Boule und Pétanque Verband Nordrhein-Westfalen e.V.

Russlandfahrt - Teil 2: „Marsowo pole“

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Etliche Salate und andere Gerichte zur freien Auswahl
 
Vorschaufotos - Fotos: Berthold Perret
Bernard studiert die Karte - auf Russisch :-)
Was ein Zufall, dass wir uns hier treffen
das Germersheimer Triplette
"Kiss" mit Alex (vorne) Manfred und Jörgen
Bianca trinkt zum ersten Mal "Kwas"
Marie-Annick findet es wohl schon recht lustig !
Dieses Foto wollte ich euch nicht vorenthalten !
Aber dieses auch nicht !!
Blick auf das Buffet
Etliche Salate und andere Gerichte zur freien Auswahl
Der Elch
Russische Bedienung in zünftiger Kleidung
Blick vom Marsfeld zum Michaelsschloss
Blick vom Marsfeld zur Kathedrale "Erlöser vom Blut"
2 Matrosen in der Hafenstadt St. Petersburg ebenfalls auf dem Marsfeld
Auf dem Marsowo pole trifft man sich zum Boulen
Alex wünscht sich von Jörgen einen Schuss
Jürgen im Tête gegen Evgeny
Idylle kurz um 23 Uhr
Nikolay und Olga (links) nach ihrem ersten Bouleabend
 

 

Russlandfahrt - Teil 2: Marsowo pole

 
 
- eine Zusammenfassung des einwöchigen Aufenthaltes in Russland -
 

Die Flucht vor der Hitze nach St. Petersburg

 

Noch stehen wir an der Rezeption und warten auf die Zurückgabe unserer Pässe. Aber Vera, so heißt unsere Empfangsdame, hat eine Menge Papiere auszufüllen. Ich frage Vera nach einem guten und traditionellen russischen Restaurant und sie empfiehlt uns das Lokal direkt rechts neben der Eingangstüre des Hotels.

Sascha steht immer noch bei uns, möchte nun aber doch dringend kurz nach unten zu Dimi, der weiterhin an der Strasse bei den Fahrzeugen, die nicht so ganz regelgerecht geparkt stehen, wartet. Wir verabreden uns mit ihm unten im Restaurant, das gibt ihm Zeit einen Parkplatz zu suchen.

Nachdem wir nun alle unsere Zimmerschlüssel entgegen genommen haben, begeben wir uns auf Erkundungstour. Na, wie sieht euer Zimmer aus? Bianca bekommt Heißhunger auf ihre Lakritze und stürzt sich auf meine Tasche, die bereits auf dem Bett steht. Sie öffnet das Seitenfach und stellt fest: "Scheiße, die haben die Lakritze geklaut!" Nun schießen die wildesten Gedanken durch unsere Köpfe. Wurde alles durchsucht? Fehlt noch mehr? Bianca besinnt sich doch eines besseren, zweifelt an sich selbst und öffnet die Tasche um sich davon zu überzeugen, dass sie ihre Tüten Lakritze nicht doch woanders hinein gesteckt hat.

"Aber das ist doch gar nicht deine Tasche!" entfährt es ihr als sie den ersten Blick auf die uns vollkommen fremden Dinge wirft. Und nun? Auch das noch. Keine Lakritze, keine Zahnbürste und vor allen Dingen keine Boules, alles von mir weg!

Ich teile diese Neuigkeit allen übrigen Mitreisenden mit und es beginnt ein gemeinschaftliches Pläneschmieden, wobei Bianca deutlich in Panik verfällt, nicht etwa wegen meiner Boules, nein vielmehr wegen ihrer Lakritze. Sie kann leichter ohne mich als ohne diese kleinen schwarzen, klebrigen Bonbons auskommen. Mit einer selbst für mich erstaunlichen Ruhe gehe ich zur Rezeption und bitte Vera am Flughafen anzurufen, ob dort irgendwo eine Tasche mit Lakritzen gefunden wurde. Vera sagt zwar zu, es tut sich aber nichts. Ich vertraue ihr und beschließe, wir gehen nun erst einmal runter ins Restaurant.

Wenige Minuten später schon stehen wir, gemeinsam mit Sascha, im Eingangsbereich des bereits sehr gut gefüllten Restaurants. Der erste Eindruck vermittelt Wärme und Gemütlichkeit. Das Lokal ist durch sehr viel Holz geprägt. Mittendrin stehen zwei dicke Bäume. Ich nehme mir vor, zu fühlen ob die echt sind, vergesse es jedoch in der Aufregung. Alle Bediensteten sind mit Trachten bekleidet und es fällt sofort auf, dass es mindestens 10 bis 15 Trachten sein müssen, die hier wie die Ameisen kreuz und quer durch das Lokal laufen. An der Wand hängt ein Elchkopf. Riesig. So groß werden Elche? Und dann plötzlich deutsche Stimmen. Durch den Ruf meines eigenen Namens werde ich aus meinem Traum von Kosaken und Kassatschok herausgerissen. Ups, das sind ja Alex (Bauer) und Manfred (Kuhn) unsere süddeutschen Teilnehmer und an ihrem Tisch sitzen noch weitere deutsche Boulespieler aus Germering. Die Begrüßung ist groß. Wie lange seid ihr schon hier? Wo wohnt ihr? Und wie um alles in der Welt kommt ihr gerade auf dieses Restaurant?

Alles Zufall!

Dass wir uns nach dem Abendessen aber zum Boulespiel auf dem Marsowo pole (Marsfeld) treffen wollen, das wird nicht dem Zufall überlassen sondern definitiv nun festgelegt.

Wir beginnen alle recht vorsichtig mit der Wahl unserer Speisen. Die meisten von uns nehmen zunächst einmal eine Suppe. Wer weiß was man zu essen bekommt, wir sind ja schließlich hier in Russland. Schon nach dem Auftischen der ersten Mahlzeit schnalzen dann aber bald die Zungen. Das sieht ja alles köstlich aus! Und es schmeckt auch so! Zum Essen trinken wir Kwas und russisches Bier, keinen Vodka! Kwas ist eine Art Bierlimonade von dunkler Farbe mit süßlichem zurückhaltendem Geschmack. Man bestellt es in Karaffen von einem halben oder ganzen Liter. Das russische Bier ist von goldgelber kräftiger Farbe und schmeckt würzig und nach mehr! Besonders bei diesen Temperaturen!

Während des Essens ist natürlich die Lakritztasche ein dankbares Thema. Aber schnell finden wir genügend Gesprächsstoff zu der anstehenden offenen russischen Triplette Meisterschaft.

Die Rechnung bitte. Es war lecker und reichhaltig und überhaupt nicht teuer. Wir bereiten uns auf den Weg zum Marsfeld vor. Wir wollen laufen, müssen vorher noch zum Hotel die Kugeln mitnehmen. Ich natürlich nicht. Hab' ja keine. Bianca nötigt mich, Vera noch einmal zu fragen, ob sie schon etwas beim Flughafen erreicht hätte. Ihre Sucht schlägt wohl nun voll durch! Nee, sie sei noch nicht dazu gekommen, sagt Vera. Durch Alex' Ratschlag, dass man hier dann doch schon einmal eindringlicher nachhaken muss, bleibe ich bei Vera stehen und warte auf das Ergebnis ihres Anrufes. Ist auch gar nicht so schlimm, denn Vera sieht klasse aus, untypisch schwarzhaarig aber wohlproportioniert. Eine Augenweide!

Ah, das Gespräch ist beendet und Vera teilt mir mit, dass sie eine Telefonnummer einer Frau hätte, die eine ähnliche Tasche in Besitz habe, die ihr aber nicht gehöre. Die hatte wohl glücklicherweise die Lakritze noch nicht entdeckt. Bei Bianca keimt Hoffnung auf. Sollte der Abend gerettet sein? Ich rufe bei der Nummer an und spreche mit einer freundlichen Russin, die ca. 40 km südlich von St. Petersburg wohnt und mir vorschlägt die Taschen morgen früh um 11.00 h am Flughafen Pulkovo 1 wieder zu tauschen. Klar, machen wir!

Erleichtert wandert nun ein ganzer Tross von deutschen Touris mit Bouletaschen im Marschgepäck in nordwestlicher Richtung über den Nevsky prospekt um dann bei der "Fontanka", einem Kanal, am selbigen immer entlang zum Marsowo pole zu gelangen. Wir sind überwältigt von der enormen Menge wunderschöner alter Gebäude. Jedes zehnte Haus mutet wie ein Schloss an. Es ist kurz vor 21.00 h und taghell.

Wir wissen, dass die Nächte um diese Zeit sehr kurz sind und sind deshalb überhaupt nicht darüber erstaunt, dass die Sonne zu diesem Zeitpunkt noch so hoch steht. Wie immer beim ersten Mal erscheint dieser Fußmarsch unendlich zu sein. Sein Ziel eröffnet uns jedoch eine einmalige Perspektive vom Marsfeld hinüber zur Kathedrale "Erlöser auf dem Blute". Buntes Mauerwerk und goldene Kuppeln und Türmchen, beschienen von der tief stehenden Sonne. Einmalig. Und wir spielen in Steinwurfentfernung Boule.

Als wir das Feld, das eigentlich ein großzügig angelegter Park ist, erreichen, sehen wir schon von Ferne die typischen Handbewegungen von Boule spielenden Personen. Hier sind wir offensichtlich richtig.

Schnell sind wir integriert und es gilt neue Namen zu lernen. Vladi, Rudik, Sascha (Alexandra), Dimi, Ruslan, Katja und viele viele andere. Gewöhnungsbedürftig. Hoffentlich weiß ich die morgen auch noch.

Und dann kommt der Präsident und sein Bruder. Evgeny (Osokin) und Sascha (Alexander Osokin) sind uns bereits von dem Besuch in Nordrhein-Westfalen bekannt. Was für ein Wiedersehen! Als Evgeny von der Verwechslung der Taschen hört, bietet er sich sofort an, uns am nächsten Morgen zum Flughafen zu begleiten und bei der Abwicklung zu helfen. Sein Freund Arkadi (sie haben sich beim Studium in Moskau über ihre heutigen Ehefrauen kennen gelernt) wird uns fahren.

Mit großer Öffentlichkeit und vielen Zuschauern spielen wir bis ca. 0.30 h einige Partien ohne künstliche Beleuchtung und ich dazu noch ohne eigene Boules. Sascha ist so freundlich und leiht mir welche von seinen. Und ich spiele verdammt gut damit. Ich bin überrascht. Der Bouleabend, immerhin ein Donnerstagabend, endet für uns mit der Verabschiedung einiger Zuschauer, die sich in der letzten Stunde unser Anwesenheit von uns unterweisen ließen. Natürlich werden für den Fall weiterer Nachfragen zum Spiel schnell noch die Visitenkarten ausgetauscht.

Eigentlich sind wir nun fix und fertig. Wir laufen wieder zurück, den gleichen Weg! Den gleichen Weg? Nicht ganz, denn wir beschließen auf dem Rückweg noch irgendwo zum Pinkeln einzukehren. Unsere Suche fällt kurz aus und unsere Wahl auf ein Kellerlokal. Viel scheint nicht mehr los zu sein. Draußen sitzt niemand mehr. Wir gehen trotzdem rein. Bei der Tür aufgebaut steht offensichtlich der Inhaber des Lokales, der den Eindruck eines Security Officers macht. Wir steigen die Stufen hinab und betreten einen großen Gastraum der auch wieder durch viel Holz geprägt ist. An der Theke sitzen 3-4 Leute, vornehmlich Frauen und an drei Tischen sitzen teils geschlechtlich gemischte Grüppchen.

Wir suchen uns einen Platz und bestellen bei Maria 5 große Bier und eine Cola! Auffallend viele Frauen hier und nur wenige Männer! Noch eine Runde bitte (es sind immer halbe Liter). Marie-Annick winkt danach ab. Sie gibt auf, ist schon ganz lustig geworden. Die Musik wechselt, das hört sich so anders an. Mein Blick fällt auf die Musikanlage. Dort steht ein junger Mann und singt live. Gut. Gar nicht bemerkt, dass die Musik nicht aus der Konserve kommt. Ein wenig laut ist es. Auch als die Gesangsstimme plötzlich weiblich wird bleibt es laut. Obwohl die Stimmung bei uns ausgelassen ist, beschließen wir zum Hotel zurück zu kehren. Den halben Weg haben wir ja schon geschafft.

Es ist nicht mehr weit bis zum Nevsky prospekt. Durch zusätzliche Laternen und viel Reklame leuchtet der Nevsky bei nun einsetzender Dunkelheit ganz hell vor uns. Es ist bereits um 02.00 h herum. Die Prachtstrasse ist voll. Auf den letzten 1000 Metern kommt uns ein Strom von flanierenden Menschen entgegen, bei genauerer Betrachtung sind es eigentlich zwei Ströme, die sich entgegengesetzt über den Boulevard schieben. Wir befinden uns im Zentrum dieser pulsierenden Stadt. Vorbei am "Parisiana", einem Kino, dass vom Stil viel eher in Frankreich anzusiedeln wäre, schlendern wir in Richtung Nevsky 90.

Wäre da nun nicht zufällig dieses Straßencafé dann lägen wir vermutlich innerhalb der nächsten 5 Minuten in unseren Betten. So aber lädt uns die nächtliche Atmosphäre geradezu ein, den erstbesten freien Tisch zu belegen und bei dieser unerträglichen Hitze als Absacker noch ein "Baltika 7" zu trinken! Dass es mit der Bestellung etwas länger dauert, verzeihen wir, bei dieser nächtlichen Modenschau auf der Flaniermeile, unserer Bedienung recht gerne. Ich verkneife mir an dieser Stelle, mit Rücksicht auf meine 25 Ehejahre, jeglichen Kommentar über Quantität und Anmut der an uns vorbeischwebenden Schönheiten, die sich durch die Höhe der Absätze ihrer Pumps und die Enge und Kürze ihrer Kleidung voneinander kaum abheben. Selbst Bernard, seit unserer gemeinsamen Teilnahme bei der Marseillaise im Jahre 1996 als "der Mönch" verschrien, kann hier der Versuchung hinzuschauen nicht widerstehen.

Ende von Teil 2

Berthold Perret
(Präsident BPV NRW)